"Sommerurlaub" im Herr-der-Ringe-Land

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Weihnachtszeit ist Familienzeit – sogar für temporäre Auswanderer wie mich: Meine Eltern und meine kleine Schwester Karolin haben Geschenke und Sonnenbrille eingepackt, um mich für einen kurzen Sommerurlaub auf der Südhalbkugel zu besuchen – vielen Dank fürs Vorbeikommen!

Erste Erkenntnis: Wellington ist über die Feiertage eine Geisterstadt, wir haben am ersten Weihnachtsfeiertag genau ein offenes Restaurant in der kompletten Innenstadt gefunden (die meisten sind geschlossen, um sich vor den horrenden Feiertagsgehältern zu drücken, und Kiwis kochen über Weihnachten anscheinend lieber selbst). Weihnachtsstimmung wollte ohne Glühwein, Weihnachtsmärkte und Schneedecke sowieso nicht aufkommen, auch wenn sich das neuseeländische Wetter sehr angestrengt hat: Dezember 2006 war mit durchschnittlich 12°C der kälteste Sommermonat seit Beginn der Aufzeichnungen, und damit garnicht soviel wärmer als der verspätete Winter in good ol’ Germany. Da denkt sich der Mitteleuropäer doch “Ab in den Süden” … nur leider ist auf der Südhalbkugel ja alles andersrum, und auf der Südinsel von Neuseeland ist es eher noch kälter.

Also Schwimmsachen wieder eingemottet, und Kamera rausgeholt – zu sehen gibts nämlich trotzdem genug: Schon auf der Überfahrt mit der Fähre sind wir von Orcas begleitet worden. Die Südinsel ist dünn besiedelt, und die Hauptattraktion ist die abwechslungsreiche Landschaft (wo sonst findet man Gletscher, Palmenstrände, Pinguine und Schafe im Umkreis von ein paar Kilometern?). Mit einem Mietauto haben wir dann an der Küstenlinie entlang die Insel umrundet, so lange uns keine Regenwälder oder Bergmassive ins Inland verschlagen haben – satte 2000km Linksverkehr.

Irgendwann sind wir dann in Queenstown gelandet – eine der bekanntesten Orte der Südinsel. Mit viersteliger Einwohnerzahl eher Bergdorf als Stadt. dafür ist das ganze Gebiet eine einzige große Buchungsagentur für Freizeitsportarten (hier wurde in den 80er Jahren Bungy erfunden). Und so versperren unzählige Paraglider, Hubschrauber und Speedboats die eigentlich atemberaubende Aussicht. Wir hatten uns für einen Skydive aus 12.000ft entschieden (sogar mein Dad wollte springen!), der aber leider wiederholt abgesagt wurde wegen Bewölkung – verdammt! Queenstown war auch unsere Ausgangsstation für den Milford Sound, ein absolutes Highlight der Tour – erinnert ihr euch noch an die riesigen Steinstatuen (“Argonauten”) aus dem ersten Herr der Ringe-Teil? Alles im “Fjordland” um Milford Sound gedreht worden. Mit diesen Bildern im Kopf kann man sich gut vorstellen, wie imposant dieses Flußtal ist. Insgesamt mussten wir zehn Stunden Busfahrt durch Niemandsland mit dichtem Regenwald und kurvigen Bergschluchten überstehen, für eine zweistündige Bootsfahrt Richtung Meer, vorbei an Wasserfällen, Seelöwen und Delfinen. Komischerweise hatten wir genau hier herrlichsten Sonnenschein, bei über 250 Regentagen und bis zu 10m Niederschlag im Jahr.

Generel kommt man an “Lord of the Rings”-Spuren kaum vorbei auf der Südinsel: In Nelson sind wir zufällig auf den Goldschmied gestoßen, der die Ringe für den besagten Film angefertigt hat. Auf Nachfrage haben wir dann auch verschiedene Prototypen gezeigt bekommen, einer davon mit 20cm Durchmesser für Detailaufnahmen (aber leider kein massives Gold, hehe). Außerdem haben wir das Tal von Rangitikei River (“Anduin”) gesehen, durch dass Liv Tyler den verletzten Frodo vor den Ringgeistern gerettet hat – heute wird in der Gegend Bungy gesprungen ;)

Nach ein paar weiteren Stationen auf unserer Insel-Umrundung (kurze Zusammenfassung: Christchurch – “very british”, Dunedin – “big and bulky”, Nelson – “guter Wein”) sind wir dann wieder am Ausgangspunkt angelagt und durch die Cook Straße zurück in ein sonniges Wellington geschippert. Lustigerweise haben wir dort dann das erste Mal am Strand gelegen (direkt in der Innenstadt an “Oriental Bay”).

Alles in allem ein schöner Urlaub ohne Familienkrach, und eine doch sehr andere Art Weihnachten zu verbringen. Die Südinsel mehr als nur Schafe zu bieten (obwohl es schwierig ist, ein Landschaftsfoto ohne Schafe zu machen). Achja, Fotos.